Glücklicherweise hat die BRD die EM 2008 nicht gewonnen, wozu Fans gegen Deutschland! anmerken:
„Jetzt jammern die Deutschen der Fußballzeit nach wie seinerzeit dem Reich. Mit geplatzten Träumen fügen sie sich wieder ihrem Alltag. Sie wollen wieder Fußball gucken, sie wollen, das der Hype anhält, dass Deutschland auf ewig im Freudentaumel und in den Nationalfahnen versinkt. Das Leben sei eine Party. Politik überlasse man den Politikern, denn man soll ja davon ausgehen, dass sie schon wüssten, was gut für uns ist. Typisch konservativ. Ein Weltbild wie im Focus.“
… währenddessen macht sich Franz Schandl in seinem Artikel Philosophie des Fouls. Kleiner Nachschuss zur abgelaufenen Fußball-EM Gedanken zur Reformierung des Fussballsportes:
“ …
Die Frage Spiel oder Sieg? ist noch konsequenter zu stellen. Es wäre nachzudenken, ob nicht das Reglement zu ändern ist, sodass Tore zwar einen wichtigen Stellenwert behalten, aber nicht ausschließliches Kriterium des Erfolgs sind. Das quantitative Verhältnis der Einschüsse ist ein unseliges Dogma, primitive Arithmetik für ein komplexes Geschehen. Jenes richtet zunehmend die Spiele zugrunde, weil einerseits die Erhöhung des Tempos den Verletzungsgrad der Attacken steigert und andererseits das Sich-hinten-Reinstellen sich in vielen Fällen auszahlt. Befreiung des Fußballs hieße, dass eben der Zweck des Spiels im Spiel liegt und nicht bloß dem Resultat dient, dass das Spiel wirklich Spiel wird, Sympathie statt Zugehörigkeit, Augenschmaus statt Anhängerschaft entscheidend sind. Mehr als der Sieg sollte der Lustgewinn von Spielern und Zuschauern ins Zentrum rücken.“
Ihrer Linie treu bleiben auch die GenossInnen der RSO in ihrer Bilanz der Männerfußball-EM 2008:
„Die Story mit der völkerverbindenden Funktion der EM ist ein Märchen, das sich nur deshalb einigermaßen halten kann, weil die UEFA die Bilder von den Spielen selbst zensierte. Sämtliche Sender waren verpflichtet, die offiziellen Bilder zu übernehmen, damit auch die Sponsoren ins rechte Licht gerückt und die harmonisch-saubere Inszenierungen nicht gestört wurden. Die meisten Medien spielten bei dieser Show ohnehin bereitwillig mit. In der Realität waren aber die faschistischen Auftritte etwa von deutschen und kroatischen Fangruppen, die für sie keine ernsthaften Folgen hatten, nur die Spitze des Eisberges. Nationalistisches Grölen von betrunkenen Patrioten war ein weitverbreitetes Phänomen.
Bezeichnend ist hier ein Erlebnis aus der Wiener Innenstadt, wo sich Gruppen von österreichischen Fans des Nationalteams vor den Augen der zahlreich daneben stehenden PolizistInnen gegenseitig mit dem Hitler-Gruß begrüßten. Von einer jungen Frau dazu aufgefordert, hier doch einzuschreiten, antwortete ein Polizist lachend, dass sie da viel zu tun hätten, wenn sie da jedes Mal etwas unternehmen würden. Vermutlich wird – wie in Deutschland vor zwei Jahren – das wahre Ausmaß von rassistischen und gewalttätigen Übergriffen erst mit einigem Abstand einigermaßen bekannt werden.
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Die Aufgabe von internationalistischen MarxistInnen war es, sich gegen den nationalen Schulterschluss und gegen die nationalistische Begeisterung zu stellen. Und zwar nicht nur grundsätzlich, sondern auch konkret, indem man/frau sich gegen das sportpatriotische Projekt des jeweiligen Nationalteams stellt. Nun ist es zwar richtig, dass die Niederlage des einen Nationalteams immer den Sieg eines anderen bedeutet. Die spanischen Europameister, die als „temperamentvolle Südländer“ die Sympathie von nicht wenigen Liberalen und Linken auf sich ziehen konnten, haben natürlich auch eine reaktionäre Funktion im Interesse von König und spanischem Staat. Nicht umsonst erklärten viele Kommentatoren den spanischen Sieg damit, dass es endlich gelungen sei, im Team die Rivalitäten zwischen katalanischen und baskischen Spielern einerseits und zentralspanischen andererseits zu überwinden. Was hier betrieben wird, ist also, dass sich die unterdrückten Nationen in ihr Schicksal unter der spanischen Krone fügen sollen. Doch mit der Mannschaft des spanischen Staats, der ihnen noch immer die gewünschte stärkere Autonomie verwehrt, wollten nur wenige Katalan/inn/en und Bask/inn/en feiern. Presseberichten zu folge blieb es in Bilbao oder San Sebastian ziemlich ruhig, in Barcelona waren nur 5000 spanische Fans auf der Straße (in Madrid waren es hingegen mehrere Hunderttausend).
Dass bei der EM immer der eine oder andere Nationalismus profitiert, heißt für uns, dass man/frau sich grundsätzlich gegen ein solches Event, dessen Grundprinzip eine nationalistische Logik ist, stellen muss. Ein glaubhafter Internationalismus muss sich dabei immer zuerst einmal und besonders gegen den „eigenen“ Nationalismus auftreten. Dabei kann es auch notwendig sein, zeitweise gegen den Strom zu schwimmen und eine Position als kleine Minderheit in Kauf zu nehmen.“