Entdinglichung

… alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist … (Marx)

Archive for 4. März 2009

Yessie Macchi (1946-2009)

Posted by entdinglichung - 4. März 2009

Am 3. Februar starb im Alter von 62 Jahren in Montevideo/Uruguay die Tupamara, Feministin und Medienaktivistin Yessie Macchi. Sie hatte sich in den 1960er Jahren der Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros (MLN) angeschlossen, wurde mehrfach kürzere Zeitrume inhaftiert, wobei ihr zweimal die Flucht aus dem Knast gelang. Erneut wurde Yessie Macchi 1972 als Leitungsmitglied der Organisation verhaftet, gefoltert und bis 1985, zunächst in verschiedenen Miltärkasernen und dann ab 1976 im Frauenknast Punta de Rieles gefangengehalten. In den folgenden Jahren widmete sie sich u.a. dem Aufbau linker Medien, so der von ihr mitbegründeten Presseagentur Comcosur, war in der Frauenbewegung aktiv und arbeitete nach dem Regierungsantritt der Frente Amplio 2004 im Kultur- und Bildungsministerium des Landes. Nachfolgend einige Zeilen aus einem Interview mit ihr aus dem Buch »Aber wir haben immer auf das Leben gesetzt …« (1998) zum Widerstand im Knast (S. 139):

„Und die NEINs wurden mehr. An einem Tag war es NEIN zum Antreten, am anderen NEIN zur Zwangsarbeit, und von da aus gingen wir zur Offensive über. Wir rissen die Fensterblenden herunter und zerstörten alles, was unsere Verständigung behinderte. Am Jahrestag der Kommunistischen Partei sangen wir alle die Internationale und feierten die Compañeras der Partei, am Tag an dem die ersten Compañeros der MLN gefallen waren, sangen alle den Cielito der Tupamaros. Allerdings war das kein einfacher Prozess. Er kostete Tränen und Schweiss. Wir lebten ständig in strenger Bunkerhaft, ohne Besuch, mit brutaler Repression und häufigen Durchsuchungen; einige Compañeras wurden in die Kaserne geholt, um sie erneut zu verhören, andere verbrachten Monate ohne Hofgang, ganze Sektionen wurden mit Einschluss und Kontaktsperre belegt. Das war der Preis für unseren Kampf, und als solchen nahmen wir ihn auf uns. Wir liessen die defensive Haltung hinter uns, um gemeinsam für sechs Jahre in die Offensive zu gehen.“

¡Yessie presente!

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Vermischtes zur Revolte in Griechenland – 9

Posted by entdinglichung - 4. März 2009

Nach einiger Zeit nun einmal wieder ein Update zur inzwischen wohl verflogenen Revolte in Griechenland (für welche sich das Gros der radikalen Linken derzeit kaum noch zu interessieren scheint, seitdem nicht mehr so viel dort unten am Scheppern ist), vorherige Updates gibt es hier:

1.) Die RSO zieht Bilanz:

„Die griechische Protestbewegung war letztlich nicht erfolgreich. Es war freilich auch nicht so klar, was die Ziele „der Bewegung“ waren. Es war überwiegend eine Rebellion gegen das herrschende System, in der explizit antikapitalistische Elemente eine wesentliche Rolle spielten. Natürlich konnte durch die Proteste der griechische Kapitalismus nicht erledigt werden. Auch ein möglicher erster Schritt wie der Sturz der konservativen Regierung von Karamanlis wurde nicht erreicht. Ein solcher Sturz, Neuwahlen und eine darauf folgende neoliberale PASOK-Regierung hätten freilich am System nichts geändert, aber der Bewegung Kraft und Selbstvertrauen für weiter gehende Kämpfe gegeben.

Zwei besonders diskreditierte Minister, derjenige für Öffentliche Ordnung und der Bildungsminister, der als Hardliner beim neoliberalen Umbau des Bildungssystems galt, wurden ausgewechselt. Der konservativen Regierung gelang es aber, die Bewegung auszusitzen und vorerst zu überleben. Die Regierung ist sicher weiter geschwächt, wird ihren Kurs aber zweifellos fortsetzen. Trotzdem empfinden die Aktivist/inn/en und mit ihnen ein großer Teil der Bevölkerung die Bewegung nicht als Niederlage, was für weitere Kämpfe wichtig ist.

Die griechische Revolte vom Dezember 2008 hat auch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im internationalen Rahmen. Sie war ein Vorbote möglicher Bewegungen, Klassenkämpfe und Aufstände, die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise auch andere europäische Länder erfassen kann. Dabei darf man/frau freilich nicht einige Besonderheiten Griechenlands aus dem Auge lassen: Griechenland ist ein peripheres Land im EU-Block, die Substanz des griechischen Kapitalismus ist geringer als von anderen EU-Staaten, die radikalen, subjektiv antikapitalistischen Kräfte sind in Griechenland stärker als in den meisten anderen europäischen Staaten.“

2.) Die FAU-IAA berichtet von der Solidarität mit Konstantina Kouneva und dem Kampf prekarisierter (zumeist migrierter) ArbeiterInnen im Reinigungsgewerbe:

„Nach längeren Verhandlungen mit der Leitung der ISAP erklärte diese sich bereit:

1. Auf Grund der bekannt gewordenen Verletzung der Arbeitnehmerrechte (Löhne, Versicherung, u.a.) durch die Firma OIKOMET (…) werden wir sofort alle nötigen Schritte einleiten, um den bestehenden Vertrag aufzulösen.

2. Auf der Versammlung des Verwaltungsrates wird das Thema einer dauerhaften Anstellung von Reinigungspersonal eingebracht werden.

3. Es werden sofort – in enger Zusammenarbeit mit der PEKOP – neue Richtlinien für die Neuausschreibung der Verträge erarbeitet (…), so dass die vollständige Einhaltung aller versicherungs- und arbeitsrechtlichen Grundlagen auf der Basis der garantierten Arbeitnehmerrechte sichergestellt wird. (…)

Als einen „ersten Sieg“ bezeichnete die Vorsitzende der PEKOP, Vlasía Papathanási, das Ergebnis. Schon seit mehr als drei Jahren kämpft die PEKOP gegen die brutale Ausbeutung der Reinigungskräfte.

AktivistInnen der Solidaritätsbewegung weisen darauf hin, dass dies auch „ein Sieg der mutigen und entschlossenen Konstantina Kouneva“ sei. Jetzt gelte es, in der nächsten Zeit weiteren Druck auszuüben und „OIKOMET und die anderen Sklaventreiber aus allen öffentlichen Aufträgen“ zu drängen.

Momentan läuft eine verstärkte Kampagne an der Universität von Thessaloniki, wo OIKOMET für 7 Millionen Euro im Jahr als Generalunternehmer den Auftrag zur Reinigung der Universität innehat. Die Kampagne fordert, OIKOMET auch diesen Auftrag zu entziehen.

Im Laufe des Januar wurden unter anderem die Büros von OIKOMET, Adecco und manpower in Thessaloniki von solidarischen AktivistInnen in alle Einzelteile zerlegt.“

3.) LibCom berichtet, dass der sozialpartnerschaftlich orientierte Gewerkschaftsdachverband GSEE einen eintägigen Generalstreik gegen Entlassungen und für Gewerkschafts- und ArbeiterInnenrechte plant.

4.) Verschiedene Berichte auf On the Greek Riots zu Angriffen gegen MigrantInnen: zu einem Anschlag auf einen MigrantInnentreffpunkt in Exarcheia zu Auseinandersetzungen zwischen afghanischen MigrantInnen und Bullen in Patras nachdem ein Migrant absichtlich von einem Lastwagenfahrer überfahren wurde sowie zwei weitere Texte zur Solidarität mit Konstantina Kouneva (hier und hier)

roterstern

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