Entdinglichung

… alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist … (Marx)

Take back the night – Walpurgisnacht-Demo 30.04. 2010 in Oldenburg

Posted by entdinglichung - 17. April 2010

Quelle des nachfolgend dokumentierten Aufrufes: Regentied

»Ho­mo­pho­bie? Se­xis­mus? Pa­tri­ar­chat? Das ist doch heute kein Pro­blem mehr, oder? Klar, durch die fe­mi­nis­ti­schen, die Schwu­len-​, Les­ben-​, Trans-​ und Queer­be­we­gun­gen haben sich zahl­rei­che Le­bens­ver­hält­nis­se po­si­tiv ver­än­dert. Viele Mäd­chen­Frau­en­Les­ben Trans er­le­ben sich heute sub­jek­tiv als gleich­wer­tig. Aber für uns heißt Eman­zi­pa­ti­on nicht, dass z.B. Frau­en heute auch zur Bun­des­wehr dür­fen oder in we­ni­gen Ma­na­ger_in­nen­po­si­tio­nen An­de­re un­ter­drü­cken und aus­beu­ten oder das es die so­ge­nann­te Ho­mo­ehe gibt. Sind wir ei­gent­lich nie zu­frie­den? Nein!

Wer kocht das Essen, wer ver­sorgt die Kin­der, wer putzt das Klo, wer ent­schei­det was pro­du­ziert wird und wer hat Frei­zeit nach der Ar­beit? Wer darf mit einem rosa Kleid in den Kin­der­gar­ten kom­men? Kannst du al­lei­ne – auch nachts – spa­zie­ren gehen, spürst du Re­spekt ge­gen­über dir als Mensch und als Frau­Les­be­Trans?
Wir leben nach wie vor in einem Pa­tri­ar­chat, d.h. in einem ge­sell­schaft­li­chen Sys­tem, das den Ge­schlech­tern un­ter­schied­li­che Rol­len, Werte und Macht­po­si­tio­nen er­mög­licht, in einem Sys­tem der Do­mi­nanz von Män­nern über Frau­en­Les­ben­Trans, in einem Sys­tem, das ver­schie­de­ne Se­xua­li­täts­ent­wür­fe und mehr Ge­schlech­ter als männ­lich oder weib­lich nicht zu­lässt.

Se­xis­ti­sche An­ma­che und se­xua­li­sier­te Ge­walt gegen Frau­en­Les­ben­Trans sind nach wie vor bit­te­rer All­tag!
In Wer­bung und Me­di­en sind Frau­en­Les­ben­Trans se­xis­ti­scher Ver­mark­tung aus­ge­setzt. Stän­dig wird die Er­fül­lung eines nor­mie­ren­den Schön­heits­ide­als er­war­tet.

Wir leben in einem Pa­tri­ar­chat und in einem Ka­pi­ta­lis­mus, in denen weit­ge­hend un­ter­schied­li­che Ar­beits-​ und Le­bens­be­rei­che gel­ten: Frau­en sind nach wie vor über­wie­gend für die Haus­ar­beit und Kin­der­er­zie­hung, Män­ner für die Er­werbs­ar­beit zu­stän­dig. Das heißt, dass Frau­en we­ni­ger Lohn ge­zahlt wird, dass sie un­be­zahlt die Haus­ar­beit, Kin­der­er­zie­hung und Al­ten­pfle­ge er­le­di­gen. Das heißt, dass vor allem Män­ner über das wirt­schaft­li­che Ka­pi­tal, die po­li­ti­sche und mi­li­tä­ri­sche Macht ver­fü­gen. Und na­tür­lich ist klar, wel­che Ar­beit mehr wert ist!

Diese Ge­schlech­ter­ord­nung pro­du­ziert Hier­ar­chi­en, Aus­schluss und Aus­beu­tung und ba­siert wie­der­um auf die­sen.

Dank der ver­meint­li­chen „na­tür­li­chen“ Un­ter­schie­de zwi­schen Mann und Frau spie­len Mäd­chen mit Pup­pen, Jungs mit Autos oder Pis­to­len. Diese Ein­tei­lung in „Mann“ oder „Frau“ ist nicht na­tür­lich ge­ge­ben, son­dern wird ab der Ge­burt in allen ge­sell­schaft­li­chen Be­rei­chen ge­walt­sam durch­ge­setzt und auch me­di­zi­nisch er­zeugt. Le­bens-​ und Se­xua­li­täts­kon­zep­te, die diese Ge­schlech­ter-​ und Se­xua­li­täts­nor­men un­ter­lau­fen, gel­ten immer noch als Ab­wei­chung. Sie wer­den dis­kri­mi­niert oder gar nicht erst ge­se­hen. Mit Ge­walt wird ver­sucht, un­ein­deu­ti­ge Ge­schlechts­merk­ma­le und nor­m­ab­wei­chen­de Per­sön­lich­keits­ent­wür­fe in die vor­ge­schrie­be­nen Ka­te­go­ri­en zu pres­sen.

Der bür­ger­li­che Staat re­gelt und ga­ran­tiert das Ge­lin­gen des Ka­pi­ta­lis­mus, des Pa­tri­ar­chats und der Norm der He­te­ro­se­xua­li­tät. Er schafft Ge­set­ze, durch die Men­schen un­ter­drückt, aus­ge­grenzt und nor­miert wer­den.
Wir be­gren­zen aber un­se­re Kri­tik nicht dar­auf. Pa­tri­ar­chat und Ka­pi­ta­lis­mus gehen häu­fig mit Mi­li­ta­ris­mus, Ras­sis­mus, An­ti­se­mi­tis­mus und Disa­bleism (Disa­bleism: dis­kri­mi­nie­ren­des oder un­ter­drü­cken­des Ver­hal­ten ge­gen­über Men­schen, die auf Be­ein­träch­ti­gun­gen oder Be­hin­de­run­gen re­du­ziert wer­den) ein­her. Wir Frau­en­Les­ben­Trans so­li­da­ri­sie­ren uns, an­statt uns spal­ten zu las­sen und kämp­fen ge­mein­sam gegen Aus­beu­tung und Un­ter­drü­ckung, für ein so­li­da­ri­sches Zu­sam­men­le­ben, un­ab­hän­gig von Haut­far­be und Staats­an­ge­hö­rig­keit, jen­seits von Ge­schlech­ter-​, Kör­per-​ und Se­xua­li­täts­nor­men, für ein selbst­be­stimm­tes Leben für alle!

SE­XIS­TI­SCHEN NOR­MAL­ZU­STAND AN­GREI­FEN!

Wir haben keine Lust mehr auf die all­täg­li­chen se­xua­li­sier­ten An­ma­chen, die por­no­gra­fi­sier­ten Dar­stel­lun­gen von Frau­en in den Me­di­en, die Ein­schrän­kun­gen un­se­rer Be­we­gungs­frei­heit, die kör­per­li­chen Zu­rich­tun­gen von Frau­en­Les­ben­Trans im Namen von ‚Schön­heit‘ und ‚Weib­lich­keit‘. Die­ses pa­tri­ar­cha­le Selbst­ver­ständ­nis pro­du­ziert Ge­walt, haupt­säch­lich durch Män­ner aus­ge­führt, gegen Frau­en­Les­ben­Trans und Men­schen, die nicht in die üb­li­chen Ka­te­go­ri­en pas­sen; Ge­walt gegen fe­mi­nis­ti­sche Frau­en­or­te und er­kämpf­te Frei­räu­me; Ge­walt, die bit­te­re Rea­li­tät ist bis hin zu Ver­ge­wal­ti­gun­gen durch Be­kann­te und auf der Stra­ße bis hin zu Mor­den.
Möch­te frau_­les­be_­trans am 30. April in der In­nen­stadt fei­ern gehen, kann sie ganz frei ent­schei­den, ob sie sich lie­ber Be­gleit­schutz or­ga­ni­sie­ren oder sich al­lei­ne blö­den Sprü­chen und schlimms­ten­falls tät­li­chen Über­grif­fen aus­set­zen möch­te. Und als ganz ent­spann­te Al­ter­na­ti­ve lockt ja auch noch das er­le­se­ne Fern­seh­pro­gramm.

Wir wol­len die Frei­heit, uns zu jeder Zeit, an jedem Ort zu be­we­gen, ohne dabei auch nur wi­der­lich an­ge­glotzt zu wer­den. Des­halb gehen wir ge­mein­sam am Abend des 30. April in die In­nen­stadt, um uns die Nacht zu­rück­zu­ho­len!

Unser fe­mi­nis­ti­scher Wi­der­stand rich­tet sich gegen jede Form von Se­xis­mus, denn: Wir sind frei und wild, weder Die­ner_in­nen noch Frei­wild. Feuer und Flam­me dem Pa­tri­ar­chat. Kampf dem Se­xis­mus im All­tag, bei der Ar­beit und im Staat!

An­mer­kung: Uns ist be­wußt, dass wir auch in die­sem Auf­ruf die „Schub­la­den“ der Ge­schlech­ter nicht auf­lö­sen, son­dern wir sie be­nut­zen. Doch so­lan­ge das Pa­tri­ar­chat als Herr­schafts­form exis­tiert, kön­nen wir nicht dar­auf ver­zich­ten, Ka­te­go­ri­en zu be­nut­zen, die ver­deut­li­chen, dass mit die­sem „Schub­la­den“ Herr­schafts­ver­hält­nis­se be­schrie­ben wer­den, deren Ab­schaf­fung unser ei­gent­li­ches Ziel ist.

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