Quelle: FAU-IAA
Erklärung der Vollversammlung der besetzten Theaterschule von Thessaloniki
Seit Wochen und Monaten brodelt es in der griechischen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der Krise und der Korruption der politischen Klasse, reichen sich die unterschiedlichsten Formen von Protest die Hände. Tausende von Häftlingen befanden sich im Hungerstreik, auf Corfu wehren sich BewohnerInnen mit allen Mitteln gegen eine Giftmülldeponie. Krankenschwester demonstrieren und setzen den Gesundheitsminister fest. ArbeiterInnen, die um ihre Löhne geprellt wurden, ziehen in die Hauptstadt, um dort zu demonstrieren. An den Schulen und Universitäten tobt seit Wochen eine Welle von Besetzungen und Protestaktionen einer Generation ohne Perspektive. Vor einigen Tagen hat die Polizei Alexandros, einen 15 Jahre jungen Anarchisten aus Athen erschossen. Vor dem Hintergrund der sozialen Proteste liegt für viele auf der Hand, dass es sich bei diesem Mord um ein gezieltes Manöver zur Einschüchterung der rebellierenden Jugend handelte. Über den Flächenbrand, der die Antwort auf den schrecklichen Tod von Alexandros war, ist bereits anderswo genug geschrieben worden. Wir wollen heute, am Tag der Beerdigung von Alexandros, SchülerInnen aus der besetzten Theaterschule von Thessaloniki zu Wort kommen lassen. Ihre Schilderung der Situation macht mehr über die Verhältnisse deutlich als manch Dutzend kluger Artikel.
Alexandros war unser Freund, unser Bruder, unser Sohn, unser Mitschüler und unser Genosse. Der Mord am 15jährigen Alexandros war der Tropfen, der das Fass all der Fälle von Morden an jungen Menschen, die der Polizei widersprachen, auf Aufforderung nicht an einer Straßensperre angehalten haben oder einfach – so wie Alexandros – zur falschen Zeit am falschen Ort waren, zum Überlaufen gebracht hat. Der Mord an Alexandros mit war kein isoliertes Ereignis, wie der Innenminister dreist behauptet. Seine Erklärung vollendet faktisch die Ankündigung des ehemaligen Justizministers Polydaros, wonach es nur eine Frage der Zeit sei, bis einem Polizisten das Temperament durchgehe und er schießen würde.
Der Polizemord am jungen serbischen Studenten Bulatovic im Jahre 1998 in Thessaloniki, der Mord am jungen Leontidis durch einen Polizisten in der Cassandrou Straße 2003, der Tod des 24jährigen Onohua, nachdem er im Sommer 2007 von einer Zivilstreife in Kalamaria gejagt worden war, der Mord an der 45jährigen Maria in Lefkimi im Zusammenhang mit einem Angriff der Polizei auf Menschen, die sich gegen eine Mülldeponie wehrten, der Mord am pakistanistischen Migranten in der Straße Petrou Ralli in Athen im letzten Monat, die alltägliche Erniedrigung und Gewalt gegen jeden kleine Missetäter bei Polizeiaktionen überall in Griechenland, die Schüsse gegen die TeilnehmerInnen von Studieredendemonstrationen im letzten Jahr, die gewaltsame Unterdrückung von Demonstrationen, der Tränengas-Krieg der Polizei, die Gewalt gegen jeden, der protestiert … Und natürlich der tagtägliche Mord an wirtschaftlichen und politischen Flüchtlingen durch die Grenzpolizei. Selbst die Tode in den eisigen Wasser der Ägais oder den Minenfeldern von Evros: All dies ergibt das Bild der griechischen Polizei.