Entdinglichung

… alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist … (Marx)

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Erklärung der Vollversammlung der besetzten Theaterschule von Thessaloniki

Posted by entdinglichung - 9. Dezember 2008

Quelle: FAU-IAA

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Erklärung der Vollversammlung der besetzten Theaterschule von Thessaloniki

Seit Wochen und Monaten brodelt es in der griechischen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der Krise und der Korruption der politischen Klasse, reichen sich die unterschiedlichsten Formen von Protest die Hände. Tausende von Häftlingen befanden sich im Hungerstreik, auf Corfu wehren sich BewohnerInnen mit allen Mitteln gegen eine Giftmülldeponie. Krankenschwester demonstrieren und setzen den Gesundheitsminister fest. ArbeiterInnen, die um ihre Löhne geprellt wurden, ziehen in die Hauptstadt, um dort zu demonstrieren. An den Schulen und Universitäten tobt seit Wochen eine Welle von Besetzungen und Protestaktionen einer Generation ohne Perspektive. Vor einigen Tagen hat die Polizei Alexandros, einen 15 Jahre jungen Anarchisten aus Athen erschossen. Vor dem Hintergrund der sozialen Proteste liegt für viele auf der Hand, dass es sich bei diesem Mord um ein gezieltes Manöver zur Einschüchterung der rebellierenden Jugend handelte. Über den Flächenbrand, der die Antwort auf den schrecklichen Tod von Alexandros war, ist bereits anderswo genug geschrieben worden. Wir wollen heute, am Tag der Beerdigung von Alexandros, SchülerInnen aus der besetzten Theaterschule von Thessaloniki zu Wort kommen lassen. Ihre Schilderung der Situation macht mehr über die Verhältnisse deutlich als manch Dutzend kluger Artikel.

Alexandros war unser Freund, unser Bruder, unser Sohn, unser Mitschüler und unser Genosse. Der Mord am 15jährigen Alexandros war der Tropfen, der das Fass all der Fälle von Morden an jungen Menschen, die der Polizei widersprachen, auf Aufforderung nicht an einer Straßensperre angehalten haben oder einfach – so wie Alexandros – zur falschen Zeit am falschen Ort waren, zum Überlaufen gebracht hat. Der Mord an Alexandros mit war kein isoliertes Ereignis, wie der Innenminister dreist behauptet. Seine Erklärung vollendet faktisch die Ankündigung des ehemaligen Justizministers Polydaros, wonach es nur eine Frage der Zeit sei, bis einem Polizisten das Temperament durchgehe und er schießen würde.

Der Polizemord am jungen serbischen Studenten Bulatovic im Jahre 1998 in Thessaloniki, der Mord am jungen Leontidis durch einen Polizisten in der Cassandrou Straße 2003, der Tod des 24jährigen Onohua, nachdem er im Sommer 2007 von einer Zivilstreife in Kalamaria gejagt worden war, der Mord an der 45jährigen Maria in Lefkimi im Zusammenhang mit einem Angriff der Polizei auf Menschen, die sich gegen eine Mülldeponie wehrten, der Mord am pakistanistischen Migranten in der Straße Petrou Ralli in Athen im letzten Monat, die alltägliche Erniedrigung und Gewalt gegen jeden kleine Missetäter bei Polizeiaktionen überall in Griechenland, die Schüsse gegen die TeilnehmerInnen von Studieredendemonstrationen im letzten Jahr, die gewaltsame Unterdrückung von Demonstrationen, der Tränengas-Krieg der Polizei, die Gewalt gegen jeden, der protestiert … Und natürlich der tagtägliche Mord an wirtschaftlichen und politischen Flüchtlingen durch die Grenzpolizei. Selbst die Tode in den eisigen Wasser der Ägais oder den Minenfeldern von Evros: All dies ergibt das Bild der griechischen Polizei.

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Vermischtes

Posted by entdinglichung - 9. Dezember 2008

1.) Nazareth bleibt Rot! … zum dortigen Sieg der israelischen KP – Hadash – mit 54% der Stimmen bei den Kommunalwahlen im November ein Artikel auf Solidarité Ouvrière

2.) Berhard Schmid auf LabourNet zum Fall Tarnac:

„Die Gegend, die zur Region Limousin gehört, ist dafür bekannt, dass sie eine der Hochburgen der französischen Résistance war: Widerstandskämpfer gegen die Nazibesatzer und Arbeitsdienstflüchtlinge, die sich dem STO – dem Zwangsarbeitsdienst mit Verschickung ins Deutsche Reich – entzogen hatten, flüchteten hierher. Sie verfügten sogar über einen eigenen „Präfekten der Résistance“, Georges Guingouin, der in einigen Landstrichen statt der Staatsmacht von Vichy mit ihren Präfekturen und statt der Nazis den Ton angab. Auch spanische Franco-Gegner, die nach dem Ende des Bürgerkriegs 1939 aus Spanien flohen, lieben sich auf dem relativ unzugänglichen Hochplateau mit dem rauen Klima nieder. Aus dieser Geschichte, wie aus der vorangegangenen „roten Landarbeiterbewegung“, resultiert die bis heute recht starke Verankerung der Parteikommunisten in dem Gebiet.

Jean Plazanet und weitere 100 Personen, unter ihnen auch der amtierende kommunistische Bürgermeister der Nachbargemeinde La Villedieu – Thierry Letellier – haben sich seit dem 13. November zum „Solidaritätskomitee von Tarnac“ zusammengeschlossen. Eine grobe Zahl von Leuten, gemessen an der heutigen Einwohnerzahl der Orte.“

3.) Die RSO zu den griechischen Bullen:

„Als Hintergrundinformation: Brutales Vorgehen einer rechtsextrem durchsetzen Polizei hat in Griechenland eine traurige Tradition, die mindestens bis in die Schlussphase des Zweiten Weltkrieges zurückreicht. Die faschistischen NS-Kollaborationsverbände (die so genannten Sicherheitsbataillone, die Evzonen etc.) wurden von den britischen Invasionstruppen 1944/45 reorganisiert und neu bewaffnet, um sie gegen die starke ArbeiterInnen- und PartisanInnenbewegung einzusetzen. Die ehemaligen Schergen der Nazi-Besatzung bildeten den Kern des neuen „demokratischen“ Staatsapparates von Gnaden Großbritanniens und dann der USA.

Die rechtsextrem dominierten Polizei- und Armeekräfte errichteten ein Terrorregime gegen die AnhängerInnen der antifaschistischen Befreiungsbewegung EAM und wurden seit 1947 von den USA massiv aufgerüstet. In einem dreijährigen BürgerInnenkrieg zwischen 1946 und 1949 wurde die griechische ArbeiterInnenbewegung und Linke nahezu völlig zerschlagen. Die Pseudodemokratie zwischen 1949 und 1967 war in Wahrheit eine notdürftig kaschierte Diktatur von Monarchie, rechtsextremen Armee- und Polizeikräften und den US-Geheimdiensten. In der Militärjunta von 1967 bis 1974 trat diese Koalition noch mal völlig ungeschminkt auf. Nach 1974 und vor allem mit der PASOK-Regierung ab 1981 kam es zwar zu einer „Demokratisierung“, d.h. zu einer weitgehenden Anpassung an westeuropäische bürgerlich-demokratische Standards. Dennoch blieb der Großteil des rechtsextremen Personals in Polizei, Armee und Gefängnissen auf seinem Posten. Der rechte bis rechtsextreme Korpsgeist in diesen Formationen wird weiter reproduziert, in der Hauptstadt Athen sind weiterhin viele Polizisten aus den berüchtigt rechtsextremen Gebieten der Peloponnes.“

4.) Cosmoproletarian Solidarity zur „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGfM):

„Die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ weißt immer ganz genau, wo und wann sich an den Menschenrechten vergangen wird. Um dies dann aufzudecken, nehmen sie gerne politisches Personal in die Pflicht wie Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. Wer verbirgt sich hinter diesem an sich sympathischen Namen? Die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ (kurz: IGFM) wurde 1972 im Dunstkreis des exil-russischen „Volksbunds der Schaffenden“ ins Leben gerufen. Der heutiger IGFM-Ehrenvorsitzender Iwan I. Agrusow sei Veteran jener Volksbund-Gruppierung, in der sich in den frühen 1930`ern Zaristen, Antikommunisten und gepfefferte Antisemiten zusammenschlossen (so die „Antifaschistischen Nachrichten“, Nr. 13/1995). Ab 1937 sickerten die ersten „Volksbund“-Saboteure in das Staatsgebiet der Sowjetunion ein. Sobald der Eroberungs- und Vernichtungskrieg des deutschen Faschismus gegen den „Judeo- Bolschewismus“ begonnen hatte, bot sich der „Volksbund“ dem nazistischen Regime bereitwillig zur Kollaboration an. Mit anderen exilierten Kollaborateuren und „Volksbund“-Veteranen gründete Agrusow schließlich die IGFM, die nun die Schlacht des „Volksbunds“ gegen den Kommunismus unter einem bundesrepublikanischen Deckmäntelchen fortführte (ausführlicher hierzu die Recherchen von Günter Platzdasch). Hierbei pflegte man intensive Verbindungen zu den „Grauen Wölfen“ mit ihrer kruden Ideologie aus panturanistischen Volkstum, wahnverzerrten Antisemitismus und flammenden Antikommunismus. Das türkische Putschregime wurde verharmlost, solange es als Bastion des Antikommunismus fungierte; systematische Folter lediglich als Folge „der mangelnden Ausbildung der Polizei“ verharmlost (Zitat aus: Menschenrechte in der Welt, IGFM-Jahresbericht 1989/90). Auch die islamistischen Banden, die in den 1980`ern Afghanistan verwüsteten, wurden von der IGFM hofiert; ebenso wurde das Apartheid-Regime Südafrikas, der Putschgeneral Pinochet und das mörderische Wüten der Contras in Nicaragua und El Salvador verteidigt. Das Morden der RENAMO in Mosambik sei kein Terrorismus, sondern „Protest gegen die totalitäre Herrschaft“ (so die IGFM-Mitteilungsschrift „Menschenrechte“, Nr. 5/1986). Als 1986 Richard von Weizsäcker sich für die Freilassung Nelson Mandelas aussprach, protestierte die IGFM vehement gegen die Einlassungen des Bundespräsidenten (Christa von Koeller, Wussten sie das, Herr von Weizsäcker?, in: „Menschenrechte“ Nr.1/1986).“

5.) Bilder und Berichte von den momentanen StudentInnenprotesten im Iran gibt es auf Cosmoproletarian Solidarity sowie auf The Commune.

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