Entdinglichung

… alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist … (Marx)

autonome gruppe 1. mai: Kapitalismus und Hausarbeit. Betrachtungen über die Reproduktion als Grundlage kapitalistischer Geschlechterspaltung (1993)

Posted by entdinglichung - 29. Februar 2008

Der 1993 verfasste und hier nun zum Download bereitgestellte Text Kapitalismus und Hausarbeit. Betrachtungen über die Reproduktion als Grundlage kapitalistischer Geschlechterspaltung (pdf-Datei, 3,4 mb) der autonomen gruppe 1.Mai aus Stuttgart stellt einen der interessanteren und gelungeneren Versuche dar, Geschlechterverhältnisse unter Zuhilfenahme eines marxistischen Instrumentariums zu analysieren und diese als integrales und notwendiges Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise zu verstehen. Hiermit wandten sich die AutorInnen in der damaligen Debatte des Textes auch explizit einerseits gegen reduktionistische, die patriarchale Unterdrückung als nachrangigen Nebenwiderspruch ansehende wie auch gegen im Rahmen der Triple-Oppression-Ansatzes tendenziell von einer Getrenntheit patriarchaler beziehungsweise kapitalistischer (wie auch anderer) Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse ausgehenden Sichtweisen. Eine weitere Verbreitung oder eingehendere Rezeption, welche sich in der autonomen oder radikalen Linken niederschlug, fand der Text damals allerdings leider nicht.

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3 Antworten to “autonome gruppe 1. mai: Kapitalismus und Hausarbeit. Betrachtungen über die Reproduktion als Grundlage kapitalistischer Geschlechterspaltung (1993)”

  1. […] Sozialistischen Organisation (RSO), in diesem Zusammenhang sei auch noch einmal wieder auf den Text Kapitalismus und Hausarbeit. Betrachtungen über die Reproduktion als Grundlage kapitalistischer Ges… (1993) der autonomen gruppe 1. mai […]

  2. Unzeit-gemäß said

    Die Beschreibung und Einordnung der Hauarbeit im 19ten und der ersten Hälfte des 20ten Jhdt. (als unsichtbare Reproduktion der Ware Arbeitskraft doppelt gestraft) sehe ich genauso, aber:

    – Die Veränderung gegenüber dem vorkapitalistischen Patriarchat scheint mir überzeichnet, die kausale Verknüpfung von Kapitalismus und Patriarchat zu gewollt. Auch der Feudalismus kannte ja die Bäuerin i. d. R. nur als Anhängsel des Bauerns, die Handwerkerin nur als Anhängsel des Handwerkers. Und wenn dem Aufziehen der Kinder damals nicht so viel Zeit und Sorgfalt zukam, wird die Pflege der Alten in der Großfamilie dafür gesorgt haben, dass es an Hausarbeit keinen Mangel gab. Das kapitalistische Patriarchat war eher eine Weiterentwicklung und Verschärfung des feudalen.

    – Auch wenn das so gesehen ererbte Patriarchat eine Zeit lang für den Kapitalismus sehr funktional war (und im 19ten Jhdt. sogar verschärft und pseudo-naturwissenschaftlich untermauert wurde), kann man doch (heute noch weniger als 1993) nicht übersehen, dass es gerade der Kapitalismus ist, der in späteren Entwickungsstadien Tendenzen begann, das Patriarchat wegzumoderniseren, dass es tatsächlich eine Tendenz zum/zur „Geldnomaden“ gibt, der/die sich mittels Haushaltselektronik, Lieferservice und migrantische Putzkolonnen reproduziert (je nach Einkommen auf unterschiedlichem Niveau). Und bezüglich der Kinderbetreuung (so die Bevölkerung der kapitalistischen Zentren überhaupt noch Kinder hervorbringt) diskutieren auch bürgerliche Parteien mittlerweile das trad. Mutterschafts-Modell als Standortnachteil, inwiefern der Staat (eben als ideeller Gesamtkapitalist, genau wie damals bei der Einführung der Schulpflicht) hier durch Kitas Rahmenbedingungen schaffen muss.

    Der einzige Punkt bei dem der Kapitalismus eine Benachteiligung der Frau nicht überwinden können wird, ist das Thema Babypause und der damit verbundene Karriereknick, wenn frau zu lange ‚raus‘ ist. Dieser Wettbewerbsnachteil macht den Weg die ganz hohen Managementfunktionen fast unmöglich (bzw. nur bei entsprechend geringeren Gehaltsforderungen möglich). Diese Ungleichheit an der Spitze der Einkommenspyramide wird wohl bis zum Ableben des Kapitalismus bleiben. Aber für den Alltag unterhalb der Chefetagen, also da wo Männer und Frauen i.d.R. gleich schlecht bezahlt werden und Familiengründung wieder zunehmend als Luxus gesehen wird, scheint mir das Patriarchat im Späten Kapitalismus eine immer geringere Rolle zu spielen.

    • Unzeit-gemäß said

      Äh, ich meine natürlich GeldMONade (wobei Nomade in gewisser Weise auch passt …)

      Jedenfalls denke ich, dass das Auslagern der Hausarbeit (und damit die Tendenz zu einem post-patriarchalen Kapitalismus) heute anders als 1993 nicht mehr als untypische Ausnahme, als reines Yuppiephänomen gesehen werden können, und dass die CDU(!)-internen Diskussionen über Ganztagsschulen einen Paradigmenwechsel anzeigen.

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